Gewaltfreie Kommunikation in Kenia 2007-2014

Gast-Blog von GFK-Trainerin Irmtraud Kauschat zum Thema Gewaltfreie Kommunikation in Kenia 2007-2014: 2006 gab es eine Anfrage  von einer Trainerin im internationalen Netzwerk, ob jemand bereit sei, Gewaltfreie Kommunikation in Kenia anzubieten für eine Gruppe, die mit Permakultur arbeitet. Ich las das und dachte, dass das nichts für mich sei. Ein halbes Jahr später gab es dieselbe Anfrage nochmals mit der Ergänzung, dass eine andere Trainerin, die zugesagt hatte zu kommen, nun doch nicht kommen werde. Ich bot an, dass ich die Gruppe per E-Mail coachen könnte. Die Antwort war, dass es doch viel besser sei, wenn jemand persönlich ein Training geben würde. Ich fand heraus, dass die Flüge bezahlbar waren (ca. 800 €) und ich nur Malaria-Prophylaxe brauchte. Ich war bereit mich darauf einzulassen und fand noch einen Assistenten. So flogen wir 2007 im September nach Kenia. Ich freundete mich mit einigen den Teilnehmer/innen an, und so wurde ein langjähriges Projekt daraus – seit 2007 bin ich 12mal in Kenia gewesen, manchmal 10 Tage, manchmal 3 – 5 Wochen.

Trainings-Orte für Gewaltfreie Kommunikation in Kenia

Ich habe begonnen auf Rusinga Island im Viktoria-See. Inzwischen haben Menschen an weiteren Orten um den Viktoria-See (Mfangano Island, Sori Beach), im Rift Valley (Eldoret und Nakuru), Nairobi, Limuru, im Osten (Makuemi) und im Norden von Kenia (Marsabit) die Gewaltfreie Kommunikation kennen und schätzen gelernt.

An vielen Orten bin ich mehrmals gewesen, meistens zusammen mit anderen Trainerinnen und Trainern. Inzwischen gibt es eine Gruppe von Menschen, die die Gewaltfreie Kommunikation in ihren Gemeinschaften weitergeben und sich auf den Weg zur Zertifizierung durch das CVNC  gemacht haben.

2013 fand das erste Internationale Intensiv-Training des CNVC auf afrikanischen Boden statt ca. 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 8 afrikanischen Ländern sowie Europa und Australien statt.

Über die Kurs-Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Viele unserer KursteilnehmerInnen sind traumatisiert, durch individuelle Gewalterfahrungen wie Prügelstrafe zu Hause oder in Schulen, kollektive Gewalterfahrungen wie 1992 und 2007/2008 um Wahlen herum, wo Angehörige bestimmter Ethnien im Sinne von „Ethnischen Säuberungen“ aus Gebieten vertrieben wurden, in denen sie die Minderheit darstellten. Einige verloren auch Angehörige während dieser gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Eine weitere Ursache für Traumatisierung ist der frühe Verlust von einem oder beiden Elternteilen, inzwischen häufig aufgrund von AIDS, sowie der Tod von Kindern. Hunger, Mangelernährung, nicht wissen, ob es am nächsten Tag etwas zu essen gibt, spielen auch eine Rolle. Die meisten unserer Teilnehmer/innen leben an oder unterhalb der Armutsgrenze, ohne feste Arbeit – gleichgültig ob sie in Nairobi in einem Slum leben, auf dem Land mit einem kleinen Stück Acker, als Fischer um dem Viktoria-See herum oder als Halbnomaden im Norden von Kenia in einer Halb-Wüste.

Hier einige Beispiele aus unseren Trainings

Während des Internationalen Intensiv-Trainings befassten wir uns mit dem Verhältnis Männer-Frauen. Eine  junge Frau erzählte, wie traurig sie war, als es kein Fest für ihre beiden Töchter gab, als sie geboren wurden. Das dritte Kind, ein Sohn, hingegen wurde mit einem großen Fest begrüßt. Sie liebt ihre Töchter ebenso wir ihren Sohn und wünscht sich, dass sie zu selbstwussten jungen Frauen heranwachsen, die willkommen in ihrer Welt sind.

Ein junger Vater mit zwei Töchtern im Alter von 4 und einem Jahr erzählte dann, dass er aufgrund seiner Erfahrungen mit Gewaltfreier Kommunikation seine Töchter sehr liebe und sie als Menschen annehme. Üblich sei, dass in seiner Ethnie nur Männer „Menschen“ seien. Er habe ihre Geburt auch gefeiert. Andere Teilnehmer berichteten, dass sie sahen, wie er Geschenke für seine Töchter kaufte.

Bei anderer Gelegenheit traf ich eine Gruppe von Motorrad-Taxi-Fahrern. Weil die Menschen wenig Geld haben und auf dem Land die Straßen voller Schlaglöcher sind, ist für kürzere Strecken das Motorrad das geeignetste Transportmittel. Meistens gehört das Motorrad  nicht den Fahrern selbst, sondern sie leihen es sich gegen eine Gebührt bei jemandem, der ausreichend Geld hat sich eins zu kaufen. Ihr Einkommen hängt davon ab, wie viele Kunden sie am Tag haben. Oft reicht es nicht aus, um ihre Familie damit zu ernähren und die Kinder zur Schule zu schicken. Deswegen gibt es häufig Streitigkeiten mit der Frau.

Einer von ihnen bat darum, sich seine Situation in einem Rollenspiel anzuschauen, in dem ich beide Rollen spielen würde. Das würde sein Bedürfnis nach Schutz erfüllen, dass er sich nicht so verletzlich machen müsste vor seinen Kollegen. Es ging darum, dass er oft nach Beendigung der Arbeit in eine „Kneipe“ ging um Alkohol zu trinken statt das Geld seiner Frau zu geben, damit sie Lebensmittel kaufen konnte. In dem Rollenspiel hielt ich immer wieder Blickkontakt mit ihm, um mich zu versichern, dass ich noch Kontakt mit seiner Geschichte hatte.

Es zeigte sich, dass er seine Frau wirklich liebte und ganz verzweifelt war über ihren häufigen Streit. Bei der Heirat hatte er ihr versprochen für sie und die Familie zu sorgen. Jetzt stellte sich heraus, dass das Geld vorne und hinten nicht reichte. Das machte ihn so hilflos und verzweifelt, dass er es nur noch mit Alkohol ertragen konnte. Als ich dort im Rollenspiel angekommen war, hatte er feuchte Augen. Seine Frau konnte ihn im Rollenspiel verstehen und wahrnehmen, dass er wirklich für sie sorgen wollte und das wertschätzen. Einer der Lösungsvorschläge war, dass er in Zukunft nur noch einmal pro Woche in die Kneipe geht um sich mit seinen Kumpels zu treffen. Weiterhin konnte er wertschätzen, dass sie auf dem Acker arbeitet und dadurch auch zum Lebensunterhalt beiträgt. Er erklärte sich bereit, sie bei der Arbeit auf dem Acker zu unterstützen, wenn er keine Kunden fährt.

Am Ende des Rollenspieles fragte ich ihn, wie es ihm damit ginge. Er sagte, dass er das so mit seiner Frau besprechen wolle und war sehr erleichtert, eine Idee zu haben, wie sich etwas verändern könnte in seinem Leben.

Wie kann man so ein Projekt finanzieren?

Die Finanzierung stellt uns immer wieder vor Herausforderungen. In den ersten Jahren hatten wir das Glück, Geld aus der Auflösung des Berliner GFK-Zentrums zu erhalten. Das ermöglichte uns ein einwöchiges Training mit 30 Teilnehmer/innen aus verschiedenen Teilen Kenias durchzuführend. Viele Menschen, die damals teilnehmen und die Gewaltfreie Kommunikation im Zusammenleben erfahren konnten, sind heute unter den Zertifizierungskandidat/innen.

Wir haben auch Fördergelder von D-A-CH erhalten. Damit konnten wir 2011 Älteste von zwei Ethnien aus dem Norden von Kenia nach Nairobi zu einem Versöhnungstreffen bzw. einer Mediation einladen. Sie gehören zwei Ethnien an, die sich mehr als 20 Jahren bekämpfen, das Vieh gegenseitig wegnehmen, sich gegenseitig töten, auch Kinder waren unter den Opfern. 2012 konnten wir je sieben junge Krieger der beiden Ethnien und 2013 je sieben Frauen zu weiteren Versöhnungstreffen einladen. Seit dem ersten Treffen mit den Ältesten ließen die Gewalttaten nach. Das Treffen mit den jungen Kriegern, alle einflussreiche Wortführer, beendete die kriegerischen Auseinandersetzungen.

Weitere Finanzierungengen sind individuelle Spenden. Wir Trainerinnen tragen zusätzlich finanziell durch Spenden bei und indem wir auf Honorar verzichten.

Wie wird die Zertifizierung in Afrika organisiert?

Bislang gibt es keinen anderen Weg als im nördlichen Teil der Welt. Deswegen lag es mir so sehr am Herzen, ein 9-tägiges Internationales Intensiv-Training (IIT) nach Kenia zu bringen. Das war 2013 möglich und hat eine Voraussetzung für die Zertifizierung geschaffen. Eine Assessorin, Doris Schwab, war 2013 in Kenia und traf sich mit den Zertifizierungskandidat/innen zu einem Training. Daraus entstand ein Fokus auf Coaching für diese Gruppe, wie sie Trainings gestalten können.

Die meisten kennen das Weitergeben von Wissen nur aus der Schule, wo ein Lehrer häufig vor 70 Kindern steht und Frontalunterricht erteilt. So sahen auch ihre ersten Workshops aus. Ende 2013 traf ich mich mit den Kandidat/innen zu einem Coaching. Sie bereiteten in 2er-Gruppen Präsentationen und Workshops vor und stellten diese in unserer Gruppe vor. Dafür bekamen sie Feedback und überarbeiteten ihren Beitrag nochmals. Danach gingen wir zu Gruppen, die uns eingeladen hatten, wo sie dann ihre Präsentationen und Workshops einbrachten. Das war sehr aufregend für sie.

Können auch andere Menschen, die mit GFK auf dem Weg sind, an den Trainings teilenehmen oder assistieren?
Ja, gerne! Wir haben wiederholt Menschen als Assistent/innen mitgenommen nach Kenia, wenn sie für ihre Kosten selbst aufkommen konnten. Auch Trainer/innen, die über entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, sind willkommen selbständig Trainings zu geben. Dies kann auch gleichzeitig mit uns geschehen, dann können wir mit kleineren Gruppen arbeiten.

Gewaltfreie Kommunikation in Kenia – wen ansprechen?

Ich bin gerne Ansprechpartnerin, am besten per E-Mail:

Dr. med. Irmtraud Kauschat
Darmstadt

irmtraudlkauschat@yahoo.de
www.gewaltfrei-darmstadt.de

Gewaltfreie Kommunikation in Kenia – Links

Link zum Kenia-Projekt Gewaltfreie Kommunikation in Kenia beim D-A-CH-Verein