NVC Toolkit Trainingsbuch: 1,25 Kg Gewaltfreie Kommunikation

Das englischsprachige NVC Toolkit ist mit Abstand das schwerste Buch über Gewaltfreie Kommunikation meiner umfangreichen GFK-Bibliothek. Schwer ist das NVC Tookit jedoch nur in seiner äußeren Form: Es wiegt 1,25 Kg, bietet 509 Seiten Lesestoff und ist 3 cm dick. Inhaltlich haben die drei Autorinnen des NVC Toolkit Raj Gill, Lucy Leu und Judi Morin dafür gesorgt, dass es den Lesern und Leserinnen leicht fällt, Gewaltfreie Kommunikation (GFK) zu vertiefen. Das NVC Toolkit bietet einen gigantischen Fundus an großartigen GFK-Übungen, die wie in einer IKEA-Bauanleitung Schritt für Schritt erklärt werden. Die Erklärungen des NVC Toolkit sind so detailliert, dass sogar beschrieben wird, wie Trainer die Übungen Satz für Satz anmoderieren können. Ich habe im NVC-Toolkit unendlich viel Inspiration für meine Seminare gefunden: neue Übungen, Varianten bekannten Übungen und Inspiration zur Variation eigener Übungen.

Was bietet das NVC Toolkit seinen Leser/innen?

Das amerikanische Trainingsbuch NVC Toolkit ist 18 “Schlüsselkonzepte” unterteilt. Es geht in den einzelnen Kapiteln des NVC Toolkit um Intention, Aufmerksamkeit, bewertendes Denken, die freie Wahl im Umgang mit Kommunikation, Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse, Bitten, Selbstempathie, Aufrichtigkeit, Empathie, das Giraffentanzparkett, die beschützende Anwendung von Macht, “Nein” Sagen, Feiern, Ärger, Trauer/Vergebung und Konfliktlösung.

Die Kapitelstruktur des NVC Toolkit

Jedes Kapitel des NVC Toolkit enthält a) Achtsamkeitsübungen (“Awareness Exercise”) und b) GFK-Übungen für das Kommunikationstraining (“Activity”). Die einzelnen Übungen des NVC Toolkit beschreiben das Übungsziel (“Purpose of Activity”), eine Kurzdarstellungen (“Brief Description”), die benötigten Materialien (“Materials needed”), den Zeitumfang (“Time required”), die Teilnehmerzahl (“Group size”), den erforderlichen Raum (“Space required”), das notwendige Bildungsniveau (“Literacy Level required”), den Übungsablauf (“Procedure”), Auswertungsfragen (“Debrief questions”) und Vorschläge zur Anwendung im Alltag (“Suggestions for practice in daily life”). Wow! Was für eine umfassende Erläuterung. Es fällt mir wirklich leicht, den Anleitungen des NVC Toolkit zu folgen.

Ein Übungsbeispiel aus dem NVC Toolkit

Die Übung aus dem NVC Toolkit, die ich in diesem Blog vorstellen will, heißt “Dancing Fingers” und ist dem Kapitel 12 “The NVC Dance” zugeordnet. In Kapitel 12 des NVC Toolkit geht es darum, die drei Säulen der Gewaltfreien Kommunikation (Selbstempathie, Einfühlsames Zuhören und kraftvoller/achtsamer Selbstausdruck) zu visualisieren und zu trainieren.

Bei der Übung “Dancing Fingers” werden Klebepunkte verwendet, die auf den Fingerspitzen befestigt werden. Als Klebepunkte eignen sich die 12mm-Punkte von Avery (Zweckform). Das NVC Toolkit schlägt vor, den Zeigenfinger (Beobachtung) mit gelb zu markieren, den Mittelfinger (Gefühl) mit rot, den Ringfinger (Bedürfnis) mit blau und den kleinen Finger (Bitte) mit grün zu markieren.

Farbvariation der NVC Toolkit Anleitung

Ich selbst weiche in diesem Punkt vom NVC Toolkit ab. Für mich ist die Beobachtung blau (eine sachliche Farbe), das Gefühl rot (Emotionen sind intensiv), das Bedürfnis gelb (gelb symbolisiert in der Farblehre Motivation) und die Bitte grün (eine blühende Zukunft).

NVC Toolkit Dancing Fingers in Aktion

Die Übung Dancing Fingers aus dem NVC Toolkit beginnt mit der Vorbereitung des Rollenspiels und der Einleitung durch einen klaren und achtsamen Selbstausdruck. Für diesen Blog habe ich die Anleitung des NVC Toolkit etwas gekürzt.

Alle Teilnehmer/innen der Übung schreiben auf einem Blatt Papier ein Beispiel auf, mit dem sie üben wollen. Das NVC-Toolkit empfiehlt den eigenen  Namen, den Namen der Person, mit der man einen Konflikt hat, die Beziehung zu dieser Person (Schwester, Vorgesetzte, Freund…), eine Überschrift für die Szene und die eigenen Urteile und Schuldzuweisungen, die man gegenüber der anderen Person empfindet.

Der Falleinbringer beklebt seine Finger mit den Klebepunkten und bitte eine/n andere Teilnehmer/in als Rollenspieler für die andere Person im Rollenspiel einzuspringen. Das NVC Toolkit schlägt vor, das eigene Blatt zu kopieren, damit sowohl Falleinbringer als auch Rollenspieler eine Falldarstellung in der Hand halten.

Fragen des NVC Toolkit nach der Intension (der inneren Bereitschaft)

Die rechte Hand dient nun dem klaren, kraftvollen und achtsamen Selbstausdruck. Das NVC Toolkit schlägt vor: Bevor ich einen Rollenspieler anspreche, betrachte ich meinen Daumen (ich beklebe ihn mit einem weißen Sticker) und frage mich: Will ich mit meinem Gegenüber eine Verbindung auf Herzensebene aufzubauen? Entspricht das meiner ehrlichen Intention?

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NVC Toolkit Dancing Fingers: Kraftvoller und achtsamer Selbstausdruck (Honesty)

Das NVC Toolkit rät dazu, den Dialog mit dem Selbstausdruck zu beginnen. Der Daumen wird eingeklappt und die Beobachtung geäußert. Das NVC Toolkit rät dazu nicht mit dem Zeigefinger auf die anderen Person zeigen (Lol). Danach kommen die anderen Finger mit den Gefühlen, den Bedürfnissen und den Bitten an die Reihe.

Wenn alle Finger gezeigt wurden, empfiehlt das NVC Toolkit alle Finger als Gesamtheit zu zeigen, stellvertretend für das Bemühen, in eine aufrichtige Verbindung zu kommen.

Anschließend bittet der Falleinbringer den Rollenspieler, in einer abweisenden Art zu reagieren. Die Antwort soll für den Falleinbringer schwer zu hören sein. Auf dieses Weise – so das NVC-Toolkit – kann der Falleinbringer die nächsten zwei Schritte auf einem herausfordernden Level üben.

NVC Toolkit Dancing Fingers: Selbstempathie (Self-Empathy)

Die rechte Hand wird auch bei der Selbstempathie hilfreich sein. Das NVC Toolkit empfiehlt, die rechte Hand dabei auf das eigene Herz zu legen.

Okay, auf dem Bild sehe ich aus, als ob ich einen Eid schwöre. Worauf wohl? Nein! Ich verbinde mich auch hierbei wieder auf Anraten des NVC Toolkit zunächst mit meiner Bereitschaft (Daumen = Intention). Bin ich bereit mir alles anzuschauen, was jetzt in mir lebendig ist?

Anschließend fokussiere ich mich darauf aus was ich gerade gehört habe, was das bei mir für Gefühle auslöst, welche Bedürfnisse dabei erfüllt oder unerfüllst sind und ob es eine Frage an mich selbst gibt.

Fragen des NVC Toolkit an mich selbst

Die Beispielfrage im NVC Toolkit lautet: Bin ich bereit, mir meine Bedürfnisse ein paar Momente lange zu vergegenwärtigen? In diesem stillen Moment liegt die Hand fest auf dem eigenen Herzen.

NVC Toolkit Dancing Fingers: Einfühlsam Zuhören (Empathy)

Für den letzten Schritt empfiehlt das NVC Toolkit einen Wechsel der Hand von rechts auf links. Wir beginnen wie gehabt mit dem Daumen: Bin ich bereit, meinem Gegenüber offen zuzuhören, mich selbst seinem inneren Schmerz zuzuwenden? Das NVC Toolkit fragt: Möchte ich mich auf Herzensebene verbinden?

Im Anschluss rät das NVC Toolkit zu folgenden Schritten: Zu benennen was der andere gehört oder gesehen hat (Beobachtung), auszusprechen, welche Gefühle und Bedürfnisse des anderen wir in der Antwort hören, und eine Vermutung anzustellen, worum der andere uns bitten möchte. Äußern Sie entsprechende Vermutungen (empathische Spekulation) im Fragestil.

NVC Toolkit Dancing Fingers: Durchführung und Auswertung

Jede Runde der Übung “Dancing Fingers” aus dem NVC Toolkit kann bis zu 30 Minuten dauern. Sie können die Übung aus dem NVC Toolkit auch variieren und paarweise in Schleifen durchführen. Generell denke ich: Die Anregungen des NVC Toolkit mit den farbigen Fingern können für viele andere Übungen verwendet werden. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren.

Die Autorinnen des NVC Toolkit

Raj Gill, Lucy Leu und Judi Morin sind sehr erfahrene Trainerinnen, die sich inbesondere bei der Arbeit mit Strafgefangenen hervorgetan haben. Mit einem Klick auf die entsprechenden Namen gelangen Sie zu weiteren Informationen über die Arbeit der Autorinnen des NVC Toolkit oder direkt zur Website des NVC Toolkit.

[Diese und viele weitere kreative Übungen zum Thema Gewaltfreie Kommunikation, wie sie im NVC Toolkit und anderen Büchern vorgestellt werden, können Sie auch in meinen Seminaren kennen lernen. Ich biete Ihnen die Teilnahme an folgenden offenen Seminaren an: Jahresausbildung Mediation in Wiesloch, Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation, ein Seminar zu Methoden für das Training von Empathiefähigkeit und der Tanz auf dem Vulkan – ein Workshop zum Umgang mit starken Gefühlsäußerungen.]