Interview mit Marshall Rosenberg von Reiner Steinweg

12. November 2013

Eine äußerst interessante Äußerung zum Thema Copyright zeichnete Reiner Steinweg 1996 im Interview mit Marshall Rosenberg auf. “In dem, was ich unterrichte, gehört nichts mir. (…) Alles was ich unterrichte, gibt es schon seit Jahrhunderten. Und die Form, in die ich es gebracht habe, führt nicht dazu, dass mir diese Informationen gehören. Diese Urheberrechtssache hat mich stark verwirrt. (…) Der einzige Grund, warum ich meine Arbeit urheberrechtlich habe schützen lassen, ist, weil einige Leute, die an meinen Trainings teilgenommen haben, meinen Sachen benutzt haben und es schützen lassen, weil ich das nicht tue. Mein Anwalt sagte mir: “Du wirst bald verklagt werden, weil Du Deine eigene Arbeit machst.” Also habe ich es schützen lassen. Aber nicht, weil ich anderen Menschen mitteilen will: “Du darfst das nicht lehren”. Ich ermutige Leute sogar dazu. Gibt anderen Leuten weiter, was für Dein Leben wertvoll ist. Ich habe das nur schützen lassen, damit ich meine eigene Arbeit nutzen darf.” Weitere Themen des Interviews: Die Entstehnung der GFK, der Wandel vom Psychologen zum Trainer, Erfolg und Ende der Arbeit in der Psychologischen Praxis, Umgang mit Projektionen und Quellen der Energie für die Arbeit als Trainer für Gewaltfreie Kommunikation.

Interview mit Marshall Rosenberg Reiner SteinwegDas Interview mit Marshall Rosenberg führte Reiner Steinweg während eines Seminars in Eggenberg (Bayern) am 17.-20. Oktober 1996. Reiner Steinweg (* 29. Juni 1939 in Pähl) ist ein deutscher Friedens- und Konfliktforscher sowie Theater- und Erzählpädagoge, der zunächst als Brecht-Forscher bekannt wurde. In diesem Blog finden Sie eine Zusammenfassung der Inhalte.

Interview mit Marshall Rosenberg – Biografische Hintergründe

Marshall Rosenberg erzählt, dass er wegen seiner jüdischen Wurzeln in der Schule täglich Gewalt erfuhr. Er erzählt über seinen Nachhauseweg: „Ich lernte, wie man von Haus zu Haus rennt und kannte alle Fluchtwege.“ Seine Familie praktizierte keine Religion. Marshall Rosenberg verstand als Kind nicht, warum er wegen seinem Namen oder einer hypothetischen Stammeszugehörigkeit gequält wurde.

Interview mit Marshall Rosenberg – die Studienzeit mit Michael Hakeem

Die Begegnung mit dem syrischen Soziologen Michael Hakeem veränderte Rosenbergs Weltbild. Hakeem war gefürchtet als „Psychologen-Hasser“. „Sein Weg bestand darin, auf die politischen und sozialen Gefahren der Psychologie und der Psychiatrie hinzuweisen“:
–    wenn in der Psychologie das Bild von „Krankheit“ verwendet wird
–    wenn dabei Werturteile mit wissenschaftlichen Urteilen verwechselt werden
–    wenn der Blick auf die sozialen Strukturen, die auf die Persönlichkeitsentwicklung einwirken, vernachlässigt wird

Interview mit Marshall Rosenberg – Begegnung mit Carl Rogers

Carl Rogers hatte den Auftrag, den medizinischen Bereich der Universität von Wisconsin zu verändern. „Er kam gegen die Wölfe dort nicht an.“ Marshall Rosenberg wurde jedoch in sein Forschungsprojekt über die Wurzeln „helfender Beziehungen“ eingebunden. „Damals waren 95 Prozent der Psychologen Freudianer.“ Carl Rogers hingegen war in jede Richtung offen. Das Forschungsprojekt zeigte:  Heilung funktioniert vorzugsweise über den Weg der Empathie im Umgang mit Patienten.

Interview mit Marshall Rosenberg – Kommentar zu den Nürnberger Prozessen

Marshall Rosenberg spricht über die Forschungsarbeit von Gustave Mark Gilbert, der der Naziverbrecher bei den Nürnberger Prozessen untersuchte. „Seine Untersuchungen ergaben, dass die Nazis ganz normale, nette Leute (pretty nice people) waren“. Marshall Rosenberg hätte lieber erfahren, dass sie die Ausgeburt einer Geisteskrankheit wären oder Hitler von seinem Vater gewalttätig behandelt worden wäre. „Es war alles viel komplizierter als einfach eine Krankheit zu finden und sie mit Medizin zu heilen wie die Windpocken.“ Marshall Rosenberg interessierte sich von da an für die Strukturen, die solche Menschen immer weiter hervorbringen. Er fragte sich: „Worum geht es dem Mensch? Was für Lernerfahrungen brauchen Menschen, damit sich Menschlichkeit entfalten kann?“

Interview mit Marshall Rosenberg – Erfolg als Experte für Lernschwierigkeiten

In den 60er Jahren wurde Marshall Rosenberg bekannt als Experte für Lernschwierigkeiten. Sein erstes Buch wurde ein Bestseller. „Leute aus ganz Amerika wollten, dass ich ihnen mit ihren Kindern helfe.“ (…) Genau zu dieser Zeit verfolgte ich die Arbeit von Paul Freire, dem brasilianischen Revolutionär. Ich sah, wie er seine Alphabetisierungskampagne mit der Vermittlung politischen Bewusstseins verband. (…) Wäre es nicht wundervoll, wenn ich meine Sache so klar und einfach machen könnte, dass ich sie an Leute vermittele, die sie wieder an andere weiter vermitteln.“ Weil viele Schule Marshall Rosenberg als Trainer bei der Bewältigung von Rassenkonflikten anforderten, griff er die Gelegenheit beim Schopfe: „Ich brachte mein Training in einer Form, die ich Gewaltfreie Kommunikation nannte.“

Interview mit Marshall Rosenberg – über Projektionen

„Es ist schwierig den GFK-Prozess zu erlernen. (…) Aber wenn Du mit einem Menschen zusammen lebst, mit dem Du bisher stets um Positionen gekämpft hast, ist es besonders schwierig auszubrechen. Viele Menschen, die den GFK-Prozess erfolgreich verstehen und anwenden gelernt haben, nutzen ihn, um sich auf giraffische Art und Weise von solchen Beziehungen zu verabschieden. Für sie ist es anziehender mit einem neuen Menschen zu starten, auf den noch nicht so viele Projektionen gerichtet sind, als die Energie aufzubringen, die alte Beziehung auf ein neues Niveau zu bringen. Ich kenne Leute, die letzteres geschafft haben und tiefe, anhalten Beziehungen aufbauen konnten. Andere hingegen sehen den Energieaufwand und die Anstrengung, die das erfordert und sagen sich: Mein Gott, vielleicht ist es für uns beide besser, wenn sich unsere Wege trennen. Es erfordert wirklich viel Kraft, alte Muster hinter sich zu lassen.“

„Ich sage Leuten, bevor sie den einfacheren Weg wählen (…), dass ich folgendes glaube: Dein größter Wolf ist Dein bester Lehrer. Der Mensch, der Dich am meisten herausfordert, ist die Person, mit der Du die Giraffensprache am besten lernst. (…) Es mag mit diesem Menschen zwar sehr hart sein, weil Du diese Muster erlernt hast. Aber es ist auch eine wundervolle Lernmöglichkeit, um Dich von diesen (gesellschaftlichen) Mustern zu befreien. Vielleicht kommst Du dabei weiter, als wenn Du mit einer anderen Person neu angefangen hättest.“

Interview mit Marshall Rosenberg – über die Energie als GFK-Trainer

„Eine einzige wunderbare Geschichte meiner Workshop-Teilnehmer pro Jahr würde mir die Energie geben, um weiter zu machen. Wenn ich mich über eine Sache in meinem Leben beschwere, dann darüber, dass ich nie genug Zeit habe, das alles zu feiern. Denn diese Geschichten passieren so häufig, dass allein am heutigen Tag mindestens zehn weitere solcher schönen Sachen passieren. Genau daher kommt die Energie.“

Interview mit Marshall Rosenberg – weiterführende Links

Der Autor des Interview mit Marshall Rosenberg Reiner Steinweg bei Wikipedia

Ein Interview mit Marshall Rosenberg von Guy Spiro

Neugierig auf eine Vertiefung von Gewaltfreier Kommunikation?

 

(c) Al Weckert